Afrika Reiseberichte Tunesien

Zwei Ferraris für deine Frau

Töpfer in Sousse
Geschrieben von Rolf

In den Souks von Tunesien wird um alles gefeilscht – bis zum Umfallen.

Reisebericht von Rolf Schwarz

Was wäre ein Urlaub in Tunesien ohne einen Besuch eines der zahlreichen Souks. Jede noch so kleine Stadt hat es: ein von alten Stadtmauern umgebener „Supermarkt”, ein buntes, quirliges Labyrinth von kleinen Gassen voller Menschen und Geschäften mit Kleidung, Schuhen, Töpfereien, Backwaren, Gewürzen, und und und… Und wie immer gilt: Wer hier was kaufen will, muss feilschen und nochmal feilschen bis zum Umfallen.

Männer in den traditionellen Djellabahs, mit Einkaufstüten bepackte Frauen, Händler, die vor ihren Läden nach Käufern schreien, Kinder, die eigentlich in der Schule sein müssten und natürlich die Touristen: Das Menschengedrängel in den engen Gassen ist gewaltig und bewegt sich beinahe im Zeitlupentempo vorwärts. Ab und zu zwängt sich ein Händler mit seinem hölzernen Handkarren oder ein hupender Mopedfahrer durch die Menschenmenge. Wie, das wissen nur sie.

Je weiter ich ins Labyrinth des Suks von Sousse vordringe, desto mehr tauche ich in eine andere Welt. Vor mir graviert ein Handwerker mit einem alten Meisel und Hammer Inschriften in silberne Metallplatten, nebenan nagelt ein Schuhmacher Sohlen auf einen Schuh und zwei Läden weiter formt ein Töpfer Tongeschirr auf einem uralten Drehteller. Vom Cafe an der Ecke ziehen die Rauchschwaden der Wasserpfeifen herüber und vermischen sich mit dem Duft der frischgebackenen Croissants und anderem Gebäck vom Bäcker gegenüber. Eine Gasse weiter tauche ich in eine Geruchswolke aus Safran, Thymian, Oregano, Paprika und Harissa. Ein Gewürzhändler bietet hier eine bunte Mischung aus Gewürzen feil. Herrlich – wenn nur nicht das ständige Gedrängel wäre.

Töpfer in Sousse

Töpfer im Souks von Sousse, Tunesien 2002

An einem Teppichladen diskutieren drei Männer lauthals und mit hochroten Köpfen vor einem Haufen Teppiche. Das Geschrei wird lauter und lauter und es scheint nur eine Frage von Sekunden, bis sich der eine auf den anderen stürzen wird. Plötzlich herrscht Stille und auf den Gesichtern der Streithähne erscheint ein zufriedenes Lächeln. Dinar-Scheine wechseln den Besitzer und die Teppiche auch. So ist das hier eben. Vom kunstvoll gewebten Teppich über Wasserpfeifen in allen Größen bis hin zum Berberschwert oder dem Kopf eines frisch geschlachteten Kamels – es gibt in den Suks praktisch nichts, was man nicht kaufen könnte. Allerdings ist dies meist mit einer gehörigen Portion Stress verbunden.

„In Tunesien gibt es zwei Nationalsportarten: Fußball und Feilschen”, so hatte uns unser Führer vor dem Betreten der Souks aufgeklärt. Wer beim Kauf den ersten geforderten Preis akzeptiere, begehe einen Verstoß gegen die „Marktregeln”. Beim Handeln sei allerdings immer Vorsicht geboten, so meinte unser Führer grinsend. „Die Tunesier sind gewiefte Geschäftemacher, und verkaufen dir, wenn es sein muss, die eigene Schwiegermutter.”

Wie recht er hatte, wird mir auf dem Markt in Touzeur klar. Ich bleibe schon nach kurzer Zeit in einem der Gässchen an einer Art Schmuckladen (neben Schmuck werden hier auch Haartrockner und MP4-Geräte angeboten) hängen oder besser gesagt der heftig auf mich einredende Verkäufer an mir. Da ist kein Entkommen mehr möglich. Ich entscheide mich für eine Halskette mit der Hand der Fatima. „Bringt Glück und ist echt Silber”, sagt der Verkäufer mit dem Namen Yasser. „Kostet 45 Dinar.” Ich suche vergeblich nach dem Stempel, der den Schmuck als echt ausweist. Den hatte man bei der Herstellung in der Eile offensichtlich vergessen.

„Das ist Berbersilber”, meint Yasser als Erklärung für den fehlenden Stempel. Ich biete dennoch nur 8 Dinar, was bei meinem Gegenüber eine entsetzte Miene und ein wildes Armefuchteln hervorruft. „Du bist mein Ruin”, jammert er empört und fügt schnell ein „35 Dinar” hinzu. Um den meinigen zu verhindern biete ich 10 Dinar. Yasser scheint kurz vor einer Nervenkrise. Nach einer halben Sunde intensivem Hin und Her und dem vergeblichen Versuch mir auch noch ein Teeservice aus „echtem Silber” (auch ohne Stempel) aufzuschwätzen einigen wir uns auf 15 Dinar. Yassers zufriedenes Lächeln sagt mir, dass er mich auch bei diesem Preis noch übers Ohr gehauen hat.

Was immer man hier zu einem noch so gut ausgehandelten Preis kauft, man hat immer irgendwie das Gefühl, einem gewieften Gauner zum Opfer gefallen zu sein. Und dies manchmal sogar bevor man es gekauft hat. „Echte Puma-Sportschuhe für 20 Dinar”, so lockt mich ein H6auml;ndler in seinen Laden, der bis zur Decke mit allen möglichen Schuhen, Sandalen, Stiefeln und Pantoffeln vollgestopft ist. Im Laden angelangt, springt der Preis von den anfänglichen 20 schlagartig auf 100 Dinar. Auf meine Frage nach der Ursache für diesen abrupten Preisanstieg zeigt er auf ein Paar Miniatur-Sportschuhe mit dem Puma-Logo. „20 Dinar Preis für Kinderschuhe”, meint er mit einem um Verständnis werbenden Lächeln. „Große Schuhe für dich 80 Dinars.”

Ich habe kein Verständnis, verzichte dankend und versuche mein Glück in einem nahegelegenen Cafe. Bei einem köstlichen Minztee beobachte ich das Treiben vor mir auf der Gasse: Den bärtigen Alten, der auf seinem alterschwachen Esel vorbeizieht, den Schuhverkäufer, der wieder ein 20-Dinar-Opfer gefunden hat, ein paar einheimische Teenies, die in hautengen Jeans vorbeistolzieren und der Kleiderhändler, der einem schüchternen englischen Ehepaar mittleren Alters lauthals weiße Djellabahs anzudrehen versucht. Während sich die Frau mit ihrem Djellabah vor dem Spiegel bewundert, bietet der Tunesier dem verdatterten Engländer 20 Kamele für dessen Ehefrau. Der bierbäuchige Brite verneint, mit Kamelen könne er nichts anfangen. „Und zwei Ferraris?”, legt der listige Händler eins drauf. Der Engländer scheint angetan und nickt nachdenklich. Das Geschäft scheitert mangels Ferraris und an den wütenden Blicken der feilgebotenen Ehegattin. Ich bestelle mir noch einen Tee und schaue weiter zu. Besser als im Kino. Auch wenn ich für den Tee mit Sicherheit das doppelte als ein Einheimischer bezahlen muss, langweilig wird es hier einem nie.

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